Freitag, 18. Mai 1979

Uptown Girl 5


Uptown Girl



Nur noch ein paar wenige Tage bis zu den großen Ferien. Anna war schon voller Vorfreude und ihre Flirtfühler, die ihre Locken bändigen sollten, wippten ebenso unruhig, wie ihre zappelnden mit Stulpen bestrickten Waden und Füße, unter dem Pult herum. Ihre kleinen Füße steckten in schweren roten Buffalo Boots, ein Muß, trotz der angehenden sommerlichen Temperaturen.


Ein Blick auf eine ihrer neuen Swatch bestätigte Anna, dass es sich endlich lohnte die Tage bis zu den Zeugnissen „den allseitsbeliebten Giftblättern“ und zu dem sehnsüchtigen Ferienbeginn rückwärts zu zählen. Die in farbigem Plastik eingeschlagenen Schulhefte und Bücher wurden mit dem längliche Kuli- signierten und bemalten Ledermäppchen zugezogen und in den hippen Bastkorb neben den Stricknadeln Größe 6 und dem lila Bändchen begarnten Luftmaschenpulli gelegt.


Hastig wurde der letzte Schluck Caprisonne ausgetrunken, die Alutüte aufgepustet und mit großem „Hallo“ zum Platzen gebracht, in dem man mit seinen braunen Boots treffsicher auf die Tüte sprang. Ein weiterer Kick, und die Getränkefolie flog zu den anderen Sunkist- Trinkpäckchen in den dafür vorgesehenen orangen Plastikmülleimer, der unter dem Klassen-Handwaschbecken mit den fliesenbeklebten Pril-Blumen stand. Hier kämmten sich Annas eitle Mitschülerinnen vor jeder neuen Schulstunde ihre langen glatten Haare, und versuchten mit der kleinen Holzrundbüste, ihren Pony nach rechts und links außen zu drehen. Zur Not half bisschen Spucke oder reingeknetetes Kreidewasser vom Tafelschwamm oder die eben erwähnten Flirtfühler.


Die Wände der Schulklasse, waren nach einem Klassenpflegschaftsvorschlag der Eltern von den Mitschülern selbst angemalt worden und lenkte kein bisschen mit dem himmelblauen Wölkchen Hintergrund und der heran nahenden Turbo- Propp- Maschine ab. (( Marke „Kilroy is watching you“))


Vom Schulflur erklang des öfteren das Klassen-Lied von Klaus & Klaus „Da steht ein Pferd auf dem Flur!“ und übertönte manch mal den Schulgong, der ansonsten mit aufkeimende Gejohle quittiert wurde. Anna wickelte sich ihr Beduinentuch im schwarz-weißen Arafat-Muster, bei dieser Hitze nicht um ihren Hals, sondern über ihren schaumstoffwattierten Sattel. Und dann ging es ab auf die Bonanza- Räder, die am Fahhrradhof zu Hauf, hinter der Schule standen.


Nach wenigen Kilometern, auf dem Weg nach Hause, hatte Anna den Hinterreifen platt, und sie überlegte, ob es Joops späte Holland-Rache sei, weil sie sich immer noch keins von diesen grünen Hollandrädern mit integrierten Einkaufskorb am Lenkrad gekauft hatte. Doch Gott sei Dank fuhr Wolfgang mit seiner schweren Maschine, einer 900er Kavasaki, an ihr vorbei und bot ihr seine versierte Hilfe an. Anna freute sich natürlich sehr, und ließ sich von Wolfgang den Reifen wieder aufpumpen und begleitend nach Hause bringen. Ganz aufgeregt und voller roter hektischer Flecken gestand Wolfgang ihr, dass er die ganze Strecke über starkes Herzklopfen gehabt hätte und er sich nun aber trauen würde, zu fragen, ob sie mit ihm zum Schwimmen fahren würde.


Anna kam das doch alles reichlich seltsam vor und verklickerte dem Guten, dass sie ihre Periode hätte und ungern in diesem sagenumwobenen Zustand schwimmen gehen würde. ( Wolfgang würde es ja doch nicht verstehen, dass sie sich lieber mit ihren Freundinnen aus dem eigen gegründeten „ The Three Tea Time – Club “ zum Teetrinken und Kekse essen verabredet hatte)


Wolfgang verabschiedet sich indes und hoffte auf ein anderes Mal, denn er wäre es ja schließlich leid, dass immer nur Jungens hinten bei ihm auf der Kavasaki sitzen würden und er bräuchte auch mal eine angenehme Abwechslung! Von daher erledigte sich das Problem –Wolfgang- für Anna recht schnell von alleine.


Am nächsten Tag war es außergewöhnlich heiß und Anna verabredete sich mit ihren Freundinnen zum Schwimmbad. Draußen vor dem Schulhoftor wartete Wolfgang schon und erneut lud er Anna zu einer Spritztour ein.

„Du, wir können ja zu mir fahren, meine Mutter hat einen leckeren neuen Kandiskuchen, Russisch Brot, Eis-Tee, Apfelsaftschorle, und .. ach, such dir was aus, wenn du bei der Hitze nichts warmes trinken magst!“


Aber Anna winkte lachend ab und erklärte ihm, dass sie schon verabredet sei

und schüttelte Korb gebend den Kopf, als Wolfgang traurig auf seinem Hinterrad davonfuhr.


„ ... und ich düse, düse, düse, düse im Sauseschritt und bring die Liebe mit, von meinem Himmelstrip. Denn die Liebe, Liebe, Liebe, Liebe, die macht viel Spaß, viel mehr Spaß, als irgendwas!!“ trällerte Anna auf dem Weg zum Freibad, fuhr sich durch ihre frisch gewellten Dauerlocken, die sie nicht mehr glatt kämmen musste und von den anderen Weibern aus ihrer Klasse unterschied.


Das Wolfgang mit seiner Maschine ihr bis in das Freibad hinterher fuhr, um ihr dann mit einer Bombe vom Dreier-Turm zu imponieren, wobei sich ihre neue Dauerwelle verabschiedete, und nach dem „Döppen“ oder auch Untertauchen nur noch einer Wasserwelle glich, dass hatte sie zu diesem Zeitpunkt nicht einmal ahnen können.


© Capri

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