Donnerstag, 15. März 1979

Uptown Girl 3

Uptown Girl 3



Holland-Valkenburg. Warum gab es nur diese Zeiten, wo Hinz und Kunz nach Holland fuhr, um dort billig Kaffee und Blumenzwiebeln zu kaufen. Gut, Anna liebte die „ zoure Drops“ , diese salzigen Lakritzen, die es in den heimatlichen Gefilden nicht zu kaufen bekam, außer den Weichkaramellen von MELLE.


Aber nach Holland Urlaub machen, und sei es nur für ein verlängertes Wochenende?

Anna ärgerte sich und wollte den Ausflug mit gekonnten Verschlafen boykottieren, aber mit ihren Eltern war nicht zu spaßen. So verlief die Anreise für den Wochenendtrip mit ein paar Nachbarn der Eltern, viel zu früh und völlig unspektakulär, außer dass Anna im Auto auf der Autobahn mit sämtlichen Autofahrern

aus Langeweile flirtete, nachdem sie sich weigerte zum wiederholten Male „ich sehe was, was du nicht siehst!“, mit ihrer jüngeren Schwester zu spielen. Aus ihrer James Dean – Tüte vom Jeans Palast, zog sie ihr weinrotes Diary heraus und trennte vorsichtig einen Zettel ab.


So notierte sie sich während der Fahrt ein paar auffällige Details. Wenn sie zurück nach Deutschland kehren würde, müsste sie unbedingt diese Such-Annonce zur Bravo- Zeitschrift schicken und auf Antwort hoffen.

„ Ich suche den Jungen (braune Haare, Kapuzenpulli, Fernglas um den Hals)

der am Pfingstsamstag (21. Mai 1983) in einem roten Fiat Panda AC-MS-67

(bepackt mit Surfbretter) und Mistral- Aufklebern auf der Heckscheibe über die holländische Grenze fuhr, später nach Aachen abbog und mir dabei zuwinkte. Wir haben über einige Kilometer miteinander geflirtet, bis dass wir uns aus den Augen verloren!“


Träumend lehnte Anna noch im Font des elterlichen Wagens, knöpfte sich ihr dunkelblaues John Wayne Hemd wieder zu, legte etwas rosafarbenen Lippgloss auf und hoffte, dass sie bald in Valkenburg ankommen würden. Nachdenklich schob sie ihren Lakritzlutscher von einer Wangenseite in die andere und spulte immer wieder das Lied von Michael Jackson „ Beat it!“ zurück .



Was ihre Freunde auf der Dorfkirmis wohl im Moment alles erleben würden.

Ihre Freundin stand sicher mit Paradiesapfel, Zuckerherzen und Liebesperlen bewaffnet an der Raupe und konnte sich vor Einladungen diverser Mitschüler sicher nicht retten. „Wann sind wir endlich da?“, maulte Anna missmutig und setzte ihren Walkman wieder auf, den sie sich von ihrem ersten Babysittergeld gekauft hatte. Vier DM die Stunde.. , die Welt schien so ungerecht, zumindest die der ausgewachsenen Erwachsenen.


Die Ausfahrt Valkenburg nahte, aber nicht, dass man auf die Idee käme, zum Schlafen eine Pension aufzusuchen, nein, nach Holland musste ein Wohnwagen, Marke Eifelland gezogen werden. Allein, um den Holländern mal die Stirn zu bieten. Auf dem Valkenburger Campingplatz suchten sich Annas Eltern einen schönen Stellplatz aus und versuchten sich nach abkoppel des Wohnwagens, mit der Kunst des Vorzeltaufstellen. Anna verkrümelte sich wie zufällig, um die Gegend des Zeltplatzes auszukundschaften. Gibt es doch nicht Schlimmeres, als Väter, die einem beibringen wollen, wie man Heringe gerade in den Boden schlägt. Und sollte er die Bodenanker selber schief eingeschlagen haben, dann ahnte Anna, dass der Ausspruch kam, von wegen


„Das gehört so, der muss so schief sein, Scheiß Sandunterlage oder den Kiesel, der sich da quer legt, buddel ich als Briefbeschwerer aus!“ Anna zog sich schnell ihre neuen Ballerinas an und die rote Clochard- Krempelboxershorts. „Warum ziehst du nicht die weißen Espandrillos an?“, fragte ihre kleine Schwester, als Anna ihr unwirsch abwinkte. Ihr war in diesem Moment eingefallen, dass sie hier auf dem Campingplatz noch nicht einmal TV hier schauen könnte. Sicher gäbe es noch nicht einmal einen TV- Raum.


Und das gerade heute, wo wieder „Wetten dass,..." und der zweite Teil von „ Der große Blonde, mit dem schwarzen Schuh“ mit Pierre Richard lief!

„Ich will zurück!“, motze Anna vor sich her und fand in ihrer Schwester eine treue Mitgefährtin. „Ich schau mich mal um und erzähle dir später alles, halte mir den Rücken frei, ich bin gleich wieder zurück!“ Hektisch stopfte sich Anna ein paar Gulden in den ledernden Brustbeutel, den ihre Mutter ihr an das Herz gelegt hatte, gab ihrer Schwester noch ein paar Geldstücke als Schweigegeld und verschwand.


An der Camping- Rezeption machte Anna einen kleinen Schuppen aus, wo sich die holländischen Jugendliche der Handbalvereniging „Filarskis“ aus Hulsberg zum Tanzen trafen. Pogo zu tanzen, schien hier angesagt und Anna schob sich beobachtend

und zurückhaltend durch die Reihen. Hübsch anzusehende, nette Jungs, „ die blonden Kaasköppe“, wie der Vater die Niederländer nannte, säumten ihren Weg zur Theke, wo sie sich einen Consumptje Bon kaufte, und ihn gegen eine Cola umtauschte.


Nachdem die Pogophase vorüber schien und sich die Holländer an der Theke mit Heinekenbier stärkten, ließ der DJ Filmmusik ablaufen. Anna erkannte den Titel von Joe Esposito aus Flashdance und wiegte sich im Takt, wie bis dato nur Jennifer Beals tanzen konnte. Ein blonder Junge näherte sich ihr und sang ihr ein ...

„Lady- Lady- Lady – don`t walk this lonely avenue. Lady- Lady- Lady- let me touch the part of you, you want me too?” in`s Ohr..


“Sorry, ik kann und will niet verstand!” entgegnete Anna gekonnt lässig, mit dem besten Hollands- Slang, dass sie irgendwo mal aufgeschnappt hatte. Sich am Colaglas festhaltend und musterte sie den Möchtegern-Interpreten.


© Capri