Uptown Girl 2
In diesem Moment rief eine Stimme bis zu ihrem Zimmer herauf. “Kommst du Essen?” rief ihre Mutter durch das Holzvertäfelte Treppenhaus. Missmutig stand Anna auf, drückte den gelben Plastik-Schreibtischstuhl mit ihren nackten Kniekehlen zur Seite, jener Stuhl, der im Sommer so gern nass an ihren schwitzenden Beinen
oder bloßen Rücken kleben blieb und ging schleppend zur Tür, an der ein lebensgroßes James Dean Poster hing.
„Hi, James.. hast auch so einen Bock auf gesundes Essen?“, stöhnte sie und trabte die Treppen in wenigen Sprüngen hinunter. Im Flur roch es nach Bratwurst und Gemüse und Anna schüttelte sich. „Du weißt doch, dass ich keine Bratwurst mag!“,
meckerte sie in Richtung Küche und Mutter, die Arme demonstrativ vor ihrer Brust überkreuzend. Die Abzugshaube dröhnte über den kochenden Töpfen und Frank Laufenberg von Radio Luxemburg kommentierte irgendein Ratequiz aus dem alten Küchenradio.
„Sicher weiß ich dass, du bist ja meine Tochter, wenn auch eine Schlechtgelaunte.
Ich hab für dich doch extra eine Frikadelle gemacht!“Erst Jahre später sollte Anna zufällig heraus bekommen, dass die Mutter auf längere Zeit, die Bratwurst aus der Pelle gedrückt hatte, um Anna daraus eine Frikadelle abzubraten.
„Hast die Hausaufgaben fertig?“, fragte Annas Mutter und stellte die Dunstabzugshaube aus. „Mutti, bitte... ich bin keine Zwölf mehr!“,
Anna ließ sich auf den Hocker fallen und riss ein Bändchen des buntgemusterten Polsters ab. „Ja.. ist ja gut, war ja nur gut gemeint!“ antworte die Mutter und legte die Frikadelle auf Annas Teller.
Anna beugte sich unschuldheuchelnd nach vorne zum Tisch und versuchte ihr Missgeschick mit dem abgerissenen Sitzpolster zu vertuschen, indem sie das Bändchen heimlich wieder unter das runde Polster schob. Annas Mutter griff in die Haare ihrer Tochter und zerwuschelte lächelnd die erste Dauerwelle.
„An die Dinger, auf deinem Kopf kann ich mich nicht gewöhnen!“
„Krause Locken, krauser Sinn, da oben steckt der Teufel drin!“, neckte Anna und nahm sich das Besteck zur Hand. „Guten Appetit!“ „Dir auch mein Schatz, lass es dir schmecken, wie war eigentlich die Schule?“ Anna kräuselte die Nase und fuhr sich schmatzend und sortierend, durch die Locken.
„Grausam, Erdkunde mit dem ätzenden Kremer.. ich hasse diesen Lehrer. Bei dem haben wir einen Test gepinnt, und dann hatte ich noch Deutsch beim Haster, und Bio, Englisch und SW, ach ne,.. das ist ausgefallen.“ Die Kartoffeln mit brauner Soße schienen Anna doch auf einmal zu schmecken. „ Mist, Mutti.. da fällt mir ein, ich muss noch mein Personalausweis und den Reisepass beim Einwohnermeldeamt abholen, kannst du mich nachher hinfahren?“
Annas Mutter legte noch etwas Kartoffeln und Gemüse auf dem Teller nach und überlegte kurz. „Ja, sicher fahre ich dich hin!“ „Zur Videothek muss ich auch noch,
habe vergessen den Sylvester Stallone Film weg zu bringen!“, Anna setzte ihr liebstes Lächeln auf. „Jetzt guckst du genauso blöd, wie dieser Rambo!“, schmunzelte die Mutter und ein paar Erbsen fielen ihr gekonnt aus dem Mund, zurück auf den Teller.
„Oh man, Mutti, du bist ja echt Top Fit!“ Anna lachte, „ ... hätte ich dir gar nicht zugetraut, dass du dich mit den Filmen so auskennst!“
„Danke, Anna! Du meinst wohl auch, dass ich mir nur Dallas und Denver-Clan angucke!“ Anna schob den leergegessen Teller zur Seite und trank einen Schluck Wasser aus einem Frisch gespülten Senfglas. „Da sag ich jetzt mal besser nichts zu!
Ich bin satt, kann ich aufstehen? Ich jump dann mal schnell hoch in`s Zimmer und such den Krempel zusammen, fahren wir in 10 Minuten?“ „ Sicher, Kind.. ich räum derweil den Tisch ab.“
Annas Mutter schüttelte den Kopf über ihre Tochter, als sie die Teller übereinander stellte und schimpfte leise auf die nicht vergehen wollende Pubertätsphase, während Anna durch das Treppenhaus rief, „Und außerdem ist morgen ein Turbo-Tag für mich.. kannst dir ja mal überlegen, wieviel Kirmisgeld du mir schenkst!“ Annas Mutter stutzte kurz und entgegnete ihrer Tochter bestimmend:
„Morgen fahren wir doch nach Holland, Schatz! Das mit der Kirmis wird wohl nichts werden!“ „Sehr witzig, Mutti.. das ist doch nicht dein Ernst, oder?“ „Aber ja, mein Kind, morgen früh um acht Uhr geht es los!“ „Na super... !“
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